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Montag, 18. März 2019

HH Hbf

„Haben Sie ein paar Cent für einen Obdachlosen?“, sprach er mich leise an, ich konnte ihn kaum verstehen.

Vor mir stand ein junger Mann mit einer grauen Parka, schlank, Mütze auf dunklem Haar, das Gesicht mit einem dunklen Vollbart bewachsen. Ein hübscher junger Mann, keine dreizig Jahre alt, allerhöchstens fünfunddreißig.

Ich sehe ihm ins Gesicht, er lächelt nicht, aber sein Blick ist freundlich.

Ich sehe ihm in die Augen, braun sind sie. Und er schaut zurück in meine. Ich schaue länger, als ich sonst jemals einem Fremden in die Augen sehen würde.

Wir sehen uns an.

Er sagt: „Sie schauen! Was soll ich machen?“

Ich lächle, hole meinen Geldbeutel aus der Jackentasche und krame nach Kleingeld, während er einen Schritt zurücktritt und sich seitlich dreht. Ich bemerke diese höfliche Geste, eine, die mir die Angst vor Raub meines Geldes nehmen soll und ich fühle mich sicher.

Ich reiche ihm einen blanken, neuen Euro und lege ihn in seine Hand. Ich weiß nicht, ob er lächelt, aber er sieht auf das Geld und bedankt sich höflich.

Er geht weiter, hat einen großen Rucksack auf dem Rücken und eine blecherne Stimme spricht über die Lautsprecher und warnt vor organisierten Bettlergruppen.

Ich frage mich, ob er organisiert ist und beobachte, wie er auf den nächsten am Bahnsteig Wartenden zugeht und diesen ignoriert. Der Nächste ist ein Rollstuhlfahrer. Er hat also Anstand, „mein“ Obdachloser, und bettelt niemanden an, der selbst auf Hilfe angewiesen ist und scheinbar selbst wenig hat. Er geht weiter.

Auf der anderen Seite des Gleises kommt er zurück und als er auf meiner Höhe ist, schaue ich zu ihm und er sagt kaum hörbar: „Nochmal danke!“ und lächelt. Ich lächle auch.

Er geht weiter, aber in mir drin bleibt er bei mir, denn ich sitze in der Bahn nach Hause und er geht mir durch den Sinn.

Ein gut aussehender, junger Mann bettelt. Auf welchem Gleis hat er wohl den falschen Zug genommen? Egal, ob er obdachlos ist oder einer Bande angehört, irgendwo und irgendwann in seiner Vergangenheit nahm er einen Zug in die falsche Richtung und ich bedaure das.

Ich habe ihn wahrgenommen.

Vielleicht ist das etwas, was er lange nicht erfahren hat. Vielleicht ist das viel mehr wert als mein Euro.

„Was soll ich machen“, höre ich es in Gedanken und ich bin schnell dabei zu sagen: „Geh arbeiten und organisiere dein Leben!“, aber was weiß ich schon? Selbst wenn er organisiert bettelt, macht das sicherlich niemand gerne und freiwillig.

Er wird noch ein Weilchen in meinem Kopf sein, daß weiß ich und ich wünsche ihm ein gutes Leben, möge es bald für ihn bergauf gehen.


                        die liebe Nana

22 Kommentare:

  1. Liebe Nana sehr berührend dein Erlebniss . Du bist ihm sehr menschlich begegnet und er dankt es. Du hast ihn bestimmt auch berührt. Danke Frauke

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  2. Liebe Nana,
    danek, daß Du dieses wirklich berührende Erlebnis mit uns teilst!
    Hab einen schönen Wochenstart!
    ♥ Allerliebste Grüße, Claudia ♥

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  3. Auch mir gehen solche Erlebnisse nach und wenn ich in einer größeren Stadt unterwegs bin, hab ich immer ein paar Euro in der Jackentasche. Ich kann nicht einfach so vorbeigehen,weil ich mir bewusst bin, dass bei diesen Menschen irgendwann mal irgendwas ganz fürchterlich schiefgelaufen ist . LG, Elisabeth

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    1. Vor allem auch, wie schnell man selbst in so eine Situation geraten kann! Wir haben es alle gut in unseren warmen Wohnungen und Häusern.

      Nana

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  4. Liebe Nana,
    hab herzlichen Dank für diese sehr berührende Geschichte, die ich nun auch mit mir trage. Eine Geschichte von Würde... und so konkret...
    Eine gute Woche wünsche ich Dir
    Ingrid

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  5. Auch von mir vielen Dank für die Geschichte, vielmehr das Erlebte.
    LG Eva

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    1. Warum gerade er so auf mich wirkte, das kann ich mir gar nicht erklären.

      Nana

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  6. Liebe Nana, ein sehr berührendes Erlebnis. Ich kann mich so gut einfühlen und bin bei dir. Du hast gut gehandelt. Mehr kann ich gar nicht dazu beitragen, du hast alles gesagt.
    LG eSTe

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  7. So ein organisierter Trupp "Bettler" stieg kürzlich morgens vor meinen Augen aus einem Transporter aus.
    Alle mit schäbbigen Trenchcoats, Krücken, kaputten Mützen und dreckigen Gesichtern, alle konnten normal gehen und sprachen munter miteinander. Die Gehhilfe hatte keiner nötig.
    Nach meinem Feierabend sah ich einen dieser Menschen wieder. Er stand da mit verdrehten Beinen, war auf seine Gehhilfe gestützt, ließ Speichel aus dem Mund laufen und hielt einen Becher in der schmuddeligen Hand.
    Als ich ihm sagte, dass er morgens doch noch ganz normal gehen konnte, da guckte er mich aus sehr wachen Augen böse an und schaute dann schnell weg.
    Was soll man da noch sagen?

    Dein junger Mann war mit Sicherheit nicht organisiert und ist auch noch jung genug, um an irgendeinem Bahnhof in den richtigen Zug einzusteigen.
    Alles hat seine Zeit.
    LG Lehmi

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    1. Oh, wenn ich solche Leute sehen würde, wie sie andere ausnutzen und veräppeln, vorführen und abstauben, ich würde sooo sauer werden.
      Ja, er ist jung genug und wird den richtigen Zug hoffentlich noch erreichen.

      Nana

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  8. Liebe Nana, du bist dem Mann mit Menschlickeit und Mitgefühl begegnet. Er wird den Augenblick auch nicht so schnell vergessen. Ich finde es gut, dass du uns daran erinnerst, dass wir mal über unser Handeln in solchen Augenblicken nachdenken.
    Winkegrüße Lari

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    1. Vielleicht denkt er auch an mich, wäre irgendwie schön.

      Nana

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  9. Liebe Nana,
    solche Begegnungen machen mich auch immer lange nachdenklich. Wie es wohl daszu kam, was schief lief, ob gewollt? So viele Fragen bleiben da offen.
    LG zu Dir
    Manu

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    1. Manch einer möchte so leben, da hast Du recht.

      Nana

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  10. Nana, als ich den Anfang deiner geschichte gelesen habe, dachte ich:"Oh je, hoffentlich ist sie nicht bestohlen worden." Glücklciherweise durfte ich dann lesen, dass das nicht der Fall war.
    Ich gebe ehrlich zu, dass ich nie etwas gebe. Hier in der hauoptstadt und auch in der gegend in der ich wohne, gibt es leider viel zu viele schlecht gesinnte Leute. Wie soll ich da so einen offensichtlich sssehr höflichen und tatsächlich in Not geratenen Menschen und den Ganoven unterscheiden. Manchmal fühle ich mich schlecht dabei, nichts zu geben und die Leute abzuwimmeln. Dann aber lese und höre ich wieder von Betrügern und fühle mich wieder besser. Ein ganz schmaler Grad auf dem wir uns da bewegen!

    Gruß Marion

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    1. Berlin ist natürlich noch ganz was anderes als Hamburg und ich wohne eh in der heilen Welt auf dem Land. In der Tat ein schmaler Grad.

      Nana

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  11. Ich bin begeistert wie du schreibst, sehr schön. Mir kommen ein bisschen die Tränen. Der Grad zwischen "mir geht es gut" und der Obdachlosigkeit ist vielleicht schmaler als mancher denkt. Und man muss erst die Geschichte kennen, warum jemand auf der Straße ist und bettelt. Nicht jeder ist organiesiert und macht es aus Berechnung. Ich habe es schon erlebt, dass jemand für ein paar Euro gebettelt hat um seinem Hund der dabei war etwas zum Fressen zu kaufen, er selbst hat auf eine Malzeit verzichtet.
    Du hast etwas gutes getan - für 1€, hast du den jungen Mann viellicht glücklich gemacht. Man kann auch mit wenig schon etwas erreichen und sei es nur ein Lächeln, ein freudliches Gegenüber.
    Gruß Martina

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    1. Das stimmt, viele Obdachlose haben Hunde, denen es nicht schlechter geht, nur weil sie kein Dach über dem Kopf haben. Schnell kann der Mensch den Boden unter seinen Füßen verlieren, so gilt es zu hoffen, daß stets jemand da ist, der einem den Arm stützt oder die Hand reicht. Es kann jeden treffen.

      Nana

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Ich behalte mir vor, nach eigenem Ermessen Kommentare zu löschen.

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