Sonntag, 21. November 2021

für die Landratten

Gleich vorneweg: ich bin selbst eine Landratte, bezeichne mich auch immer so.

Aber ich bin ein großer Fan des Maritimen und ein großer Fan des Nordens. Mir kann´s gar nicht Norddeutsch genug sein und am allerliebsten hätte ich, daß sie alle Platt schnacken, was aber keiner mehr macht. Höchstens mal die Bauern oder sehr alte Leute, ansonsten leider keiner mehr.

Die Landratten denken oft, daß die Häuser hier im Norden alle mit Reet gedeckt sind. Dem ist natürlich nicht so. 

Darf ich ein bisschen war darüber erzählen? Nichts Technisches, aber darüber, was ich hier oben gelernt habe (eigentlich weiß ich fast alles von meinem Mann, welcher ein echter Muschelschubser ist, sprich Hamburger, worauf er großen Wert legt!)

Reet ist Schilf/Schilfrohr.

Viele Reethäuser werden nicht mehr mit Reet neu gedeckt, denn Reetdächer sind natürlich sehr teuer. Aber sie halten auch sehr, sehr lange. Das Raumklima ist wunderbar und es duftet auch sehr gut, wie ich finde. 

Wer in einem Reetdachhaus wohnt, lebt Tür an Tür mit Spinnen. Die hängen stark vermehrt vor den Fenstern, also die gibt es wirklich zu Haufe. 

Reetdächer brennen wie Zunder und mindestens eine Öffnung nach draußen muß überdacht sein, weil brennendes Reet einfach brennend runterrutscht vom Dach.

Natürlich darf man im Umkreis eines Reethauses kein Feuerwerk zünden und offene Flammen sind auch nicht erlaubt, glaube ich. 

So mancher alte Hof (munkelt man) hat sich ein neues Dach und diverse Reparaturen durch einen Brand selbst ermöglicht. Bei einigen Bränden ist aber auch schon Schlimmes passiert und seitdem ich hier wohne (seit 2000) weiß ich von drei, vier Bränden von Reetdachhäusern in der Nähe, eines hier in Glückstadt, die anderen zwischen hier und Brokdorf, also 12 km Entfernung.

Die Feuerversicherung eines solchen Hauses ist immens und aus all den o.g. Gründen werden die Reetdachhäuser immer weniger. 

Aber wenn es eines gibt, dann ist es immer schön, egal welche Bauform es hat etc.

Nach viel Blabla endlich ein Foto:

Dies ist ein Haus in Glückstadt. Anhand der Länge und Bauart vermute ich, daß es früher ein Stall war, eventuell mit Wohnung. 

Die einzelnen "Büschel" werden aufgemacht und mit der Latte im Dach "vernäht" mit einem Draht. 

Am Ende klopft man mit einem Brett alles zum richtigen Winkel, manchmal geht man auch mit einem Messer bei und macht alles perfekt.

Man fängt unten an und arbeitet sich bis nach oben, die Rundung oben bekommt meist ein Drahtgeflecht übergelegt, es soll ja nichts wegwehen oder verrutschen.

Die Menschen hier oben lieben die frisch gedeckten Häuser und es wird nicht lange dauern, dann ist es nachgedunkelt.

Hier sieht man gut das alte Dach und wie es verstärkt wird mit einer extra Schicht darüber. Bevor man das tat, hat man natürlich das alte Reet gereinigt indem man es fegte und von Moos etc. befreite.

Bei manchen Dächern von Häusern und/oder Ställen werden nur Stellen ausgebessert, manchmal ein Streifen von oben nach unten. 

Ich hatte das Glück, daß ich damals zusehen konnte, wie die Scheune unseres damaligen Vermieters sowie unser Dach teilweise erneuert wurde, deshalb weiß ich wie sie das machen. Ob ich das allerdings so exakt wiedergegeben habe kann ich nicht sagen, bin ja nicht vom Fach.

Zu guter letzt sei noch erwähnt: Es bedarf eines Reetdachdeckers, ein "normaler" Dachdecker reicht da nicht aus.

Ist doch alles total cool, oder?

Ich sag´s ja, ich liebe den Norden sehr, auch wenn ich immer eine Landratte bleiben werde. 

                           die liebe Nana

17 Kommentare:

  1. Liebe Nana, ja Reetdachdächer sind wunderschön, sie haben einfach Atmosphäre. Reeddachdecker haben starke Nachwuchssorgen. Es lassen wieder mehr Leute ihr Dach mit einem Reetdach eindecken. Immer mehr wollen natürliche Baustoffe.Sie kommen gar nicht mit der Arbeit hinterher.
    Ich hab Mal so ein Reetdach abbrennen sehen. Das ging so wahnsinnig schnell. Es war ein altes Fachwerkhaus und unter Denkmalschutz. Die Ruine hat die Gemeinde aufgekauft das Balkengerüst und was noch verwertbar war abgebaut saniert und ergänzt. An anderer Stelle ein paar Meter weiter wieder aufgebaut. Jetzt ist es das Standesamt im Ort.
    Liebe Grüße, Marita

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    1. Ja, es ist wie Du sagst. Generell hat das Handwerk Nachwuchsprobleme, das wird noch was werden.
      Ist das neue Gebäude denn schön geworden?

      Nana

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    2. Ja sehr, es ist gut gelungen.
      Es macht sich dann auch gut mit den Hochzeiten die dort stattfinden.

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  2. Danke für deine "Reetdachdeckinformationen". Ich habe darüber mal eine Sendung im TV gesehen. Das war höchst informativ für Leute, die nicht dort heimisch sind. Wir waren vor mehr als 40 Jahren mal auf Rügen in Urlaub. Unser hochbetagter Vermieter war ein Reetdachdeckermeister in Rente und hat uns oft beim Sitzen im Garten von seinem Leben erzählt. Leider ist er immer wieder in seinen Dialekt verfallen, so dass ich einiges nicht verstehen konnte. Sein Gesicht ist mir nicht mehr in Erinnerung, aber seine, von harter Arbeit verformten Hände. LG von Rela

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    1. Das ist bestimmt ein Knochenjob und wer weiß, wie damals die Arbeitsbedingungen waren als er ein Lehrbub war. Auf Sylt in Kampen sind auchalle Häuser reetgedeckt, soviel ich weiß.

      Nana

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  3. Oh, mit Landratten fühle ich mich so angesprochen (durchaus positiv); ich bin sehr froh über jede Info, die ich aus Küstennähe erhalte. Reetdächer find ich super schön, vielen Dank für die guten Erklärungen.
    LG eSTe

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    1. War auch überhaupt nicht negativ von mir gemeint. Aber wir Landratten, was wissen wir schon von all diesen Dingen, gell? Ich habe in den letzten 21 Jahren so viel gelernt, ich glaube ich weiß mehr von hier als von meiner Heimat. Aber das Rhein-Main-Gebiet ist nicht mehr meine Heimat... von da komme ich her, aber hier oben fühle ich mich daheim.

      Nana

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  4. Das gefiel dem "Landtiger" 😉 auch, daß er was vom Reetdach erfuhr. War eine willkommene Auffrischung jetzt durch Dich, und ja, es ist schon enorm!👍😍👍 Im Grunde ja mit Nähen dann verwandt. Also irgendwie 😬
    Andre Handwerke sind immer auch spannend. Danke für den tollen Post!
    Liebgruß
    Tiger
    🐯

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  5. Liebe Nana zu den Landratsamt zählen ich mich auch und ich danke dir für den schönen Bericht. Ein hartes Handwerk und es erfordert viel Können, Erfahrung und Wissen . Reet ist nicht gleich Reet, so gab es da auch schon sehr schlechte Ware, die schnell schimmelte. Je nach Wetterseite ist die Lebensdauer eines Daches. In meinem Heimatort Rade sind noch zwei Katen mit Reet gedeckt. Lg von Frauke

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    1. Es sollte Landratte heißen

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    2. Ja, das stimmt. Man kann nicht jedes Schilf nehmen und in der Tat gab es auch schon schlechtes darunter. Man spricht ja von einer Lebensdauer zwischen 30-50 Jahre und mehr. Es soll schon viel ältere Dächer geben. Ist jedoch einmal der Wurm drin in einem Dach, verfällt es rasant.

      Nana

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  6. DANKE! Das ist ein wirklich toller Einblick!!!

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  7. Liebe Nana, wirklich interessant wie das vor sich geht. Im "Alten Land" habe ich die Reet gedeckten Häuser schon bewundert.
    Bei uns sind die Häuser ab und zu noch mit Zedernschindeln gedeckt. Das hält so an die 50 Jahre. Sieht schön aus, aber sicher brennt das auch ganz toll!
    Der Norden hat seinen ganz besonderen Charme nur kein gutes Wetter ;-)) Eigentlich so wie bei uns im Pacific Northwest ;-))
    LG Ursula

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  8. Liebe Nana,
    da hast Du aber schöne Bilder eingefangen! Ich finde die Reetgedeckten Häuser wunderschön. Wir fahren ja öfter auf den Darß, dort gibt's noch viele davon.
    Ein Freund von uns ist Dachdecker, der hat in seinen Wanderjahren bei einem Reetdachdecker dieses alte Handwerkt gelernt. Echt cool.
    LG
    Elke

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  9. Danke liebe Nana, ich habe wieder an deinen Lippen geklebt und mich über soviel Info gefreut. Ich kenne Reetdachhäuser natürlich auch nur vom Urlaub und finde die auch wundervoll...
    Lieben Dank Jacky

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  10. Reetdächer finde ich soo romantisch -aber mit Spinnen könnte ich nicht warm werden.
    Allerdings ist Reetdach decken bestimmt kein romantischer, sondern wohl ein Knochenjob. Danke für die vielen Infos.

    Herzlichst, Petruschka

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Ich behalte mir vor, nach eigenem Ermessen Kommentare zu löschen.

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