Sonntag, 13. Januar 2013

Frauenrechtsquilt # 20

Heute werde ich ein ernstes Thema ansprechen, ein sehr ernstes. Ein schwieriges Thema obendrein und die Ein oder Andere unter uns wird schwer schlucken müssen, wenn nicht gar mehr. Jetzt, am Anfang dieses Posts bin ich nur konzentriert und frage mich, wie weit kann ich gehen, wie weit soll ich gehen, wie weit darf ich gehen und wie weit muß ich gehen?

Block Nr. 20 widme ich den verwaisten Müttern!

An dieser Stelle möchte ich nun gleich vorneweg sagen, daß ich natürlich weiß, daß es auch trauernde Väter gibt, die genauso leiden wie die Mütter. Vielleicht trauern sie anders, ich weiß es nicht, aber wie ja schon lange bekannt, ist dies ein Quilt für/über Frauen, insofern sei es mir bitte verziehen, wenn ich die Väter nicht erwähne.

Was sind verwaiste Mütter? Mütter, die ein oder mehrere ihrer Kinder verloren haben.
Wie verliert man ein Kind? Durch eine Fehlgeburt, durch Abtreibung, durch einen Unfall, durch Krankheit, durch Krieg, durch Verschwinden, durch Selbstmord, durch Hunger, durch riskantes Verhalten...

Ihr braucht Zahlen und Fakten, ich weiß. Ich möchte, daß wir uns alle gewisser Dinge im Klaren sind, denn NOCH ist dieses Thema erst am Anfang!

Worldometers hat diese hochrechnenden Zahlen und man kriegt sehr viel weitere Informationen über alltägliche Dinge heraus, ein Klick lohnt sich! Und von dort habe ich die momentanen Zahlen her, welche folgende sind:

Geburten heute weltweit: 142.000 (ich runde die Zahlen auf oder ab)
Todesfälle heute weltweit: 60.000
Vom Hunger gestorbene Menschen heute weltweit: 12.000
Verstorbene Kinder unter 5 Jahren dieses Jahr weltweit: 154.000
Abtreibungen weltweit: 852.000
Kinder (alles unter 15 Jahren) aus D verstorben im Straßenverkehr 2011:  86
Jugendliche (15-17) aus D verstorben im Straßenverkehr 2011: 116
Jährlich sterben weltweit 8,8 Millionen (!!!) Kinder! Dies in den Enticklungsländern und hier ist die häufigste Todesursache Durchfall und Lungenentzündung.

Das sind ein paar Fakten, ob sie alle so exakt stimmen weiß ich nicht. Sie stammen aus dem Netz, d.h. sie stammen aus Zeitungsartikeln, Statistiken von irgendwelchen Bundesämtern, Unicef etc.

Vielleicht seid Ihr schockiert über diese Zahlen und vielleicht habt Ihr gedacht, daß es viel mehr oder weniger ist, aber dies tut unter´m Strich nichts zur Sache, denn hinter jedem toten Kind steckt das Leid einer Mutter, egal ob es ein Kind, hundert Kinder oder Millionen sind.

Immer wieder, wenn ich die Bilder aus Afrika sehe, wo diese ausgemerkelte Mutter ein Kind in den Armen hält mit diesen großen Augen an denen die Fliegen hocken, denke ich: "Welche Verzweiflung ist in dieser Frau, weiß sie doch, daß ihr Kind verhungern wird oder vor Schwäche einschläft und nicht mehr aufwacht." Aber das Jammern und das Weinen bis dahin, bis das Kind schweigt weil es zum Jammern vielleicht keine Kraft mehr hat, dieser Weg muß unfaßbar sein.
Oder die Mutter, die von einem Arzt gesagt bekommt, daß ihr Kind unheilbar krank ist und lange vor ihrem eigenen Ende gehen wird... und der körperliche Verfall, den sie mit ansehen muß, all die Schmerzen, die sie gerne selbst ertragen würde, nur um daß ihr Kind es nicht erleiden muß.
Oder die Mutter, die die Tür offnet und Polizei steht vor ihr und gibt bekannt, daß ihr Kind nicht mehr nach Hause kommt, weil es bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam.
Oder die Mutter, die ihr Kind niemals hat lächeln sehen, weil es tot auf die Welt kam oder gar nicht erst einen Mund entwickeln konnte, weil es vorher abging oder weggemacht wurde.

Soll ich weitermachen? Weint Ihr schon? Ich kämpfe noch sehr mit mir, es ist schwer, aber ich muß weiter schreiben... also konzentriere ich mich... es geht schon.

Ich weiß von einer Mutter (ich kenne niemanden persönlich), die verlor ihre Familie durch einen Unfall. Der Vater war unterwegs mit ihrem Sohn und der jüngeren Tochter und alle drei verunglückten. Sie wurde ins Krankenhaus gerufen und man sagte ihr, alle drei würden es nicht überleben. Als sie in dieser TV-Doku darüber sprach, war sie sehr gefaßt, eine starke Frau. Sie erzählte, wie ihr Mann ging, als sie dabei war. Sie hatte keinen Groll in sich, aber verglichen zu den Kinder, konnte sie ihn leicht gehen lassen. Ihren Sohn hatte sie morgens eine Weile auf dem Schoß. Sie erzählte, daß er plötzlich kam und mit ihr kuscheln wollte, was er nur noch selten tat, er war ja schon "groß". Und so hielt sie ihn lange, so lange, bis sie spürte (an dem Morgen), daß es genug war. Genug für den Sohn. Und als sie von seinem Sterben sprach, da erzählte sie, daß es recht einfach war ihn gehen zu lassen, weil er angefüllt war mit ihrer Umarmung und Liebe, die sie ihm am Morgen gegeben hatte. Nur ihre Kleine, die wollte sie nicht gehen lassen. Sie war die letzte Überlebende und lag so klein und zerbrechlich in ihrem Bettchen. Die Schwester kam dann zu ihr und meinte, sie solle doch vielleicht einen kurzen Spaziergang machen und frische Luft schnappen oder was essen. So ging die Mutter in den nahegelegenen Wald und als sie so zwischen den Bäumen umher ging und die Luft angenehm frisch und doch warm war, die Sonnenstrahlen durch die Blätter fielen, da fing sie an, laut ein Kinderlied zu singen. Sie erzählte, wie sie fröhlich und frei dieses Lied sang, laut in den Wald hinein und hoch zu den Bäumen. Als sie zurück im Krankenhaus war, sagte man ihr, daß ihre Kleine verstorben sei. Die Mutter erzählte sehr tapfer, daß sie glaubt, daß ihre Tochter in dem Moment ging, wo sie frei und fröhlich dieses Lied sang.

Was für ein schwerer Post... seid Ihr noch bei mir?

Und dann weiß ich von einer Mutter, die an manchen Tagen nichts kann als auf einem Stuhl zu sitzen und in ein Loch zu fallen. Sie hat Angst, die Stimme ihres Sohnes zu vergessen! Sie sieht die Bekannten beim Einkaufen, wie sie so tun als würden sie sie nicht sehen, nur weil sie nicht wissen, wie sie mit der Mutter umgehen sollen.

Und dann weiß ich von einer Mutter, die hat eine vermißte Tochter. Das vermißte Kind ist die jüngere Schwester einer jugendlichen Schwester. Wie sehr alle litten unter dem Verschwinden des Kindes ist klar und weil es für die große Schwester so unerträglich wurde, beging sie Selbstmord. So verlor die Mutter beide Kinder!

Durchatmen!

Für verwaiste Eltern und Geschwister wird viel gemacht. Es gibt Therapien, Selbsthilfegruppen, Gedenkseiten etc., sie müssen nicht alleine da durch, sie können sich helfen lassen. Hier ein paar Links:
http://www.trauernde-geschwister.de/
http://www.leben-ohne-dich.de/
http://www.veid.de/
http://www.verwaiste-eltern.de/

Aber wie kommt man da durch und will man das überhaupt? Will man denn gerne in den Alltag zurück, indem es auch Freude und Lachen gibt, Musik und Spaß? Ab wann schaltet man wieder das Radio ein oder den Fernseher? Wie bleiben die Erinnerungen der letzten gemeinsamen Minuten so frisch, daß sie ein Leben lang anhalten? Wie konserviert man den Duft, die Stimme, das Lachen? Ein fünfjähriges Kind bleibt immer fünf, wächst es mit? Bleibt es klein? Kann man umziehen oder gar das Kinderzimmer räumen? Kann man die Freunde des Kindes um sich herum ertragen? Selbstvorwürfe sind sicherlich an der Tagesordnung und die große Frage nach dem Warum! Hat man mehrere Kinder, wie begegnet man ihnen?

Hoffnungen können diese Mütter keine mehr haben, denn ihr "kleiner Sonnenschein" ist weg. Einfach so. Weg aus dem eigenen Leben, ohne Wiederkehr. Nur Schmerz. Unsagbarer Schmerz. Nie endender Schmerz.

Und doch ist da eine Hoffnung und vielleicht ein Trost:
Das eigene Ende ist die Wiedervereinigung mit seinem Kind! Daran glaube ich. Ganz fest und aufrichtig.

***

Wenn wir diesen Müttern begegnen, haben wir Angst vor unserer eigenen Angst und der Erleichterung, daß es sie getroffen hat und nicht einen selbst. Ist das zu krass gesagt? Ich denke aber, daß es so ist. Es ist nicht böse gemeint von mir, aber ich glaube, so ticken wir Menschen. Aber was ist unsere Angst vor solch einem Verlust und Schmerz neben dem, was diese Frauen tatsächlich erleben und spüren und das jeden Tag, jede Minute und jede Sekunde. Wie lange dauert es, bis diese verwaisten Mütter einmal nicht an ihr verstorbenes Kind denken und sich dann vielleicht schuldig fühlen, daß sie es für eine kurzen Moment einfach "vergessen" haben. Dauert das Tage oder Wochen? Monate oder Jahre? Wir alle können ihnen nichts geben, was den Verlust ausgleichen könnte. Wir können keinen Trost spenden, denn für sowas gibt es keine Worte. Aber vielleicht können wir unsere Hand auf ihren Arm legen und lächeln. Nur so. Oder auch nicht lächeln sondern einen Moment lang mit traurig sein. Aber nicht wegschauen!

Die Wahl der Stoffe fiel mir außerordentlich leicht. Der mittlere Stoff symbolisiert das Difuse, das, was so allmählich verblasst und doch allgegenwärtig ist. Die Erinnerungen, die Gefühle, alles schwimmt und vermischt sich zu einem "bunten" Allerlei.
Der schwarzweiße Stoff steht für die stellenweise hellen Momente dieser Mütter. Die, die Freude beinhalten und ein Lächeln zaubern. Es ist bizarr, aber dennoch da.
Und dieser Kinderstoff steht natürlich für das verstorbene Kind, für die Geschwister, für die Freunde des Kindes und die Nachbarskinder und all die, denen eine verwaiste Mutter ihr Leben lang begegnet und dies vielleicht niemals ohne Schmerz.

So widme ich diesen Block den traurigsten Müttern dieser Welt!



12 Kommentare:

  1. Ach Nana.....sehr traurig sein und dankbar sein und Angst haben.
    L.G.
    sigisart

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  2. Nana, ein sehr zu Herzen gehender Post.
    Zeit,inne zu halten und dankbar sein, daß ins dies Schicksal bis jetzt erspart blieb.
    Wie viele Mütter zerbrechen daran?
    Meine Gedanken gehen zu Frauke, die Ihren schwerstbehinderten Sohn nach 23 Jahren intensiver Pflege gehen lassen mußte.
    Auch sie muß sich ganz neu finden.

    Dein Block gefällt mir sehr zu dem THema.

    Liebe Grüße Helga

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  3. Liebe Nana, dieser Post geht mir sehr ans Herz, es sind für mich ganz persönlich jetzt 37 Jahre her als ich ein eins meiner Kinder verlor, damals wurde nicht viel dafür getan.
    Meine Gedanken sind bei all den Frauen, den dieses Schiksal ereilt.
    Vielen dank für diesen Post.

    Liebe Grüße
    Uta

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  4. Hallo Nana,

    Dein Block zu dem Thema, ist dir sehr gelungen...

    Auch mir geht das Thema sehr ans Herz, denn für mich sind es nun 34 Jahre her, als ich eines, meiner eigentlich drei Kinder verlor.Und ich bin sehr dankbar, dass ich danach noch ein gesundes Kind auf die Welt bringen durfte...danke für deinen Post.

    LG Klaudia

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  5. Ich war bei dir...mein Sohn ist da, dafür bin ich jetzt sehr sehr dankbar und meine Gedanken sind bei den armen Müttern.

    Dein Block ist sehr gelungen.

    LG von Steffie

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  6. Danke, Nana!
    Ich verlor meine erste Tochter vor 24 Jahren mit 15 Monaten, danke das Du an uns Mütter und unsere Kinder denkst. Danke das du nach so langer Zeit mal wieder zum innehalten und nachdenken anregst!

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  7. Liebe Nana,
    Schön, dass du auch an die Mütter denkst, die eine so schwere Last tragen müssen. Auch wenn es ein sehr schweres Thema ist, denke ich es ist schön, dass Du dich nicht davor drückst.
    Liebe Grüße grit

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  8. Ein sehr sensibles und zu Herzen gehendes Thema. Auch bei uns im Ort ist eine Mutter, die vier Kinder geboren hat und nun noch zwei bei sich hat. Ihr Sohn ist vor nunmehr 11 Jahren unter ungeklärten Umständen zu Hause ums Leben gekommen. Er war der Freund unseres Sohnes. Und so haben wir immer Kontakt gehalten und auch sie erkundigte sich oft nach unserem Jungen. Das Mädchen, das einige Zeit danach geboren wurde, war mehrfach behindert. Sie starb dann kurz nach ihrem 2.Geburtstag. Doch der Junge danach, der bald in die Schule, ist gesund. Und auch der nun Ältesten geht es gut. Viele im Ort wußten nicht mit der Situation umzugehen, verbreiteten Gerüchte und gaben hämische Kommentare von sich. Ich treffe ab und an die Oma und wir trauern immer noch ein wenig gemeinsam. Und auch jetzt stehen mir wieder Tränen in den Augen und ich hoffe, daß wir eine Situation nicht erleben müssen.
    Dein Block ist wieder einmal sehr passend zu deinen Erklärungen.

    LG, Petruschka

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  9. Ja .... ein sehr trauriges Thema !!
    LG
    Manuela

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  10. Liebe Nana, jetzt klappt es mit dem Kommentieren. Ich habe nicht durchgehalten und konnte Deinen Post nur zur Hälfte lesen. Dann habe ich eine Pause gemacht, mich beschäftigt. Dann ging es wieder. Das können die verwaisten Mütter nicht, einfach wegklicken, Ausruhen, Pausemachen. Wir bleiben immer Mütter und ich hoffe inniglich, dass ich niemals verwaise. Deine Stoffe sind empathisch ausgewählt, erst eben habe ich noch mal nach dem Block geschaut, da sind ja sogar Kinder drauf. Ach Nana, wirklich Danke! Ich würde am liebsten mitmachen bei diesem Frauenrechtsquilt. Schönen Gruss von Cosmee

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  11. Es ist nun fast 32 Jahre her, das ich mein erstes Kind verlor. Er kam 4 Wochen zu frueh auf die Welt und hatte eine Infektion...........Ich ab ihn nie wirklich im Arm halten koennen. Er verstarb mit 11 Tagen ein einer zerborstenen Lunge, was eigentlich zu beginn einer Beatmung passieren kann ( und die Aerzte hatten gesagt, er darf in 1 oder 2 Wochen heim ).............
    Ja, Maenner trauern anders. Mein Mann konnte mit Philipps Tod nicht wirklich umgehen und trank immer mehr............( er hat 1995 Selbstmord begangen)
    Und Ja, der Schmerz ist immer da ( wenn auch leiser ) und auch das Gefuehl versagt zu haben, auch wenn ich noch 4 Geschwister georen habe .............
    Schlimm war fuer mich das Verhalten von Freunden und Bekannten.........Besser nix sagen, denn sie wollten nichts hoeren, hatten mit ihren eigenen Leben genug zu tun. Selbsthilfegruppen gab es nicht...........Meine Trauerbewaeltigung fand auf langen einsamen Ritten mit meinem Pferd statt ( was nun niemand verstand ).........Zeit zum weinen und heilen.
    Danke fuer diesen wunderschoenen Block und deine sehr einfuehlsamen Worte
    Hugs
    Gunda

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  12. Ja......der Schmerz vergeht nie.
    Liebe Grüße, anngles

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